Die BOHREN IN WELT REIHE

Zeichenlaboratorien und Versuchsanordnungen – eine Entwicklungsgeschichte.

Inhalt:

EINLEITUNG

Rund um das Jahr 2012 entwickelte Tonto ein Projekt mit dem Titel „Bohren in Welt“.
Es ging und geht darum, in wechselnden Besetzungen gemeinsam zeichnerisch zu komponieren und zu spielen.
…Versuchsanordnungen, offene Kunstprozesse…sich zufällig ergebenden Wegen folgen…abzweigen…scheitern…lernen…

Die Geschichte der „Bohren in Welt“-Reihe bis dato wird im folgenden in vielen Bildern und einigen Texten erzählt.

Zuvor, vor Bohren in Welt, gab es quasi ein Prequel: „Schleifenbandzeichnen“ (Bohren in Welt Null), das im Forum Stadtpark 2007 erstmals aufgeführt wurde.

 

 

BOHREN IN WELT Null

 


Visualisierung, erste Skizze

Bei dieser Versuchsanordnung ging es darum, im Kollektiv eine Geschichte zu erfinden. Die teilnehmenden Personen sollten aus dem Medium der Zeichnung kommen, vorzugsweise aus dem Feld des Autoren-Comic.
Das Setting war eine Endlospapierschleife auf einem Tisch, an dem mehrere Personen sitzen und zeichnen.

Der Feldversuch in der Leitnergasse, Graz sah dann etwas anders aus…

Erste Probe für die Aufführung im Forum Stadtpark, mit Michael Jordan, Helmut Kaplan, Jakob Klemencic und Edda Strobl

Alle 4 Minuten wurde das Band weiterbewegt, somit konnte in der kurzen Zeitspanne niemand ein Motiv fertigzeichnen. Jede und jeder musste sich mit den halbfertigen Zeichnungen der anderen auseinandersetzen und daran weiterarbeiten, sowie damit rechnen, dass die eignenen Zeichnungen anders interpretiert zurückkamen als intentiert.

Während des Ausprobierens legten wir Regeln fest, zum Beispiel war nicht erlaubt, die Schauspieler*innen, also die Figuren, zu „verdoofen“ – so riefen wir das „Surrealismus-Verbot“ aus.

Aufführung mit elffriede, Michael Jordan, Helmut Kaplan, Jakob Klemencic und Edda Strobl im Forum Stadtpark, im Rahmen des Festivals „Gold“, 2012

Helmut Kaplan kleistert die auseinandergeschnittenen Schleifen an die Wand

Statt einer plausiblen Geschichte stand am Ende, trotz des ausgerufenen Surrealismus-Verbotes, ein surreal anmutendes Panorama.

Panoramen. Close Ups, viele menschliche und tierische Schauspielerinnen und Schauspieler, eine sich ständig verändernde Bühne…bedeutungsvolle Handlungen…

 

 

BOHREN IN WELT I

Im Jänner 2012 organisierten wir, wiederum im Forum Stadtpark, die erste Versuchsanordnung unter dem Titel „Bohren in Welt“.

„Bohren in Welt I“ bestand aus zwei Teilen.

An Anfang stand ein Lehrauftrag von Helmut Kaplan und Edda Strobl am Institut für Sprachkunst, an der Universität für angewandte Kunst, Wien, im Fach Experimentelle Formen der Sprachkunst. Es ging darum, den Studiernden Bild-Text-Kombinationen mittels Schreibspielen nahezubringen:  Als Quelle dienten eine Menge seit langem gesammelter ausgeschnittener Bilder, aus Zeitschriften und Zeitungen. Die Studierenden zogen nach dem Zufallsprinzip ein Bild aus einer Schachtel und verfassten einen Text dazu, dann zogen sie das nächste Bild und mussten nun eine Verbindung zwischen den beiden herstellen. Ab dem nächsten, dem dritten Bild, wurde es bereits schwieriger…
Sich auf einen offenen künstlerischen Prozess einzulassen und spontane Reaktionen auf anonymes Material zuzulassen das war die Aufgabe, die wir den Studierenden stellten.

Der zweite Teil ereignete sich im Forum Stadtpark zwischen 9.1. und 28.1.2012 in Form eines Zeich(n)en Laboratoriums. Teilnehmende waren Simon Häussle, Igor Hofbauer, Amir Idrizović, Michael Jordan, Helmut Kaplan, Renate Oblak, Edda Strobl, Studierende der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und Vera Hagemann, Klaus Meßner, Johannes Schrettle von der Theatergruppe „zweite liga für kunst und kultur“.

„Das im Prozess entwickelte Ausstellungsprojekt geht von im Raum aufgespannten, miteinander kommunizierenden Sätzen aus. Sprachbilder formen ein räumliches Kondensationsnetz, entstanden aus narrativen und begrifflichen Splittern von Texten, die für dieses Projekt verfasst wurden. Zeichner*innen und Performer*innen, die jeweils mit einem Bein in der Darstellungswelt der Bildenden Kunst, mit dem anderen jedoch in der Narration stehen, reagieren in einer Laborsituation auf diese Sätze – performativ und in (sequentieller) Zeichnung. Sowohl die Sprachbilder, als auch die Performances werden von den Zeichner*innen als Grundlage für ihre Arbeiten verwendet.“ (Tonto / Andreas Heller)

Die Bild-Text Collagen der Studierenden – als Aspekte von Weltabbildung zu verstehen – waren das Ausgangsmaterial für die weitere Erforschung von „Welt“.
Gemeinsam mit den Studierenden einigten wir uns auf 8 verschiedene Aspekte und lagerten rund um jedes Thema passendes Material aus der Lehrveranstaltung an. Für jeden Aspekt war ein 70 x100 Rahmen vorgesehen, in dem am Ende eine komprimierte zeichnerische Interpretation und Weiterbearbeitung stehen sollte.

Arbeit

Etwas später kam die Theatergruppe „zweite liga für kunst und kultur“ dazu, um sich mit der im Forum Stadtpark aufgespannten Welt auseinanderzusetzen. Die Performer*innen entwickelten 500 Fragen und performten diese in Form eines Verhörszenarios, bei dem die Rollen durch das Los zugeteilt wurden. Die 4-stündige Performance wurde ausschliesslich für die 7  Zeichner*innen aufgeführt. Die während der Performance entstandenen Zeichnungen und Texte erweiterten den Materialpool der „Welt“.

Performance

Weiterarbeit unter Einfluss der Performance…

Abschluss von Bohren in Welt 1: Abendessen im Traditionsgasthaus…

Am Ende der 10-tägigen Versuchsanordnung war Material in der Hälfte der Rahmen verdichtet.
Diese 4 Stück wurden zusammen mit weiteren Einzelzeichnungen und einer Fotodokumentation des „making of“ im OÖ Kulturzentrum während des Next Comic Festivals in Linz ausgestellt. In einem nächsten Schritt bereiteten Michael Jordan/Helmut Kaplan und Edda Strobl Material für Publikationen auf, wie etwa für die Comic-Anthologien Kuti (FI) und Novo Doba (RS).

Blatt von Igor Hofbauer (Ausschnitt)

 

 

BOHREN IN WELT II

sweatshop-experiment-prototype

Forum Stadtpark, 21.07. – 31.07 2015
Mit Dimitra Charamanda (CH), Frédéric Guille (FR/DE), Vera Hagemann (DE/AT), Igor Hofbauer (HR), Simon Häußle (AT), Max Höfler (AT), Michael Jordan (DE), Helmut Kaplan (AT), Klaus Meßner (AT), Kai Pfeiffer (DE), Bernhard Raschl (AT/GT), Léo Quiévreux (FR), Edda Strobl (AT)

Einladungskarte

„10 Tage, 10 Nächte, 13 Künstler*innen, haufenweise Papier, Schreib- und Zeichenstifte, mit denen es in die Tiefen der Welt und der Welt an den Kragen geht. 1 Sweatshop also, an dessen Ende 1 Buch stehen wird. Und 1 Freitag, an dem all die Bildanläufe und eingedampften Bilderwelten noch vor dem Druck zu sehen sein werden.“ beschrieb Max Höfler die Unternehmung im Newsletter.

Ein Statement von Helmut Kaplan zu „Welt“: „All das Gespeicherte, das als Ganzes nicht mehr abbildbare kollektive Gedächtnis, das, was beispielsweise bei einem Stamm in Papua Neuguinea noch in eine Hütte gepaßt hat*, ist eben das, was Welt ist. Das, was in diesem Sweatshop, in diesem Ereignis stattfindet, ist das Bohren in Welt. Das Ergebnis ist dann der Bohrkern, sozusagen.
(* Der Innenraum eines Männerhauses des Stammes der Atsi. Gesehen in: Irenäus Eibl-Eibelsfeldt, Christa Sütterlin: Weltsprache Kunst: Zur Natur- und Kunstgeschichte bildlicher Kommunikation, Brandstätter Verlag, 2008)

Bei jedem „Bohren in Welt“ Laboratorium versuchten wir eine neue Strategie, hatten eine neue Zielsetzung. Mittlerweile war auch klar, dass am Ende der Versuchsanordnung ein Buch stehen sollte.

Sweatshop-Experiment-Prototype:
Es ging darum,  eine Art Maschine zu erfinden, die der Methode einer industriellen arbeitsteiligen Comicproduktion folgt und als Produkt sozusagen ein Buch auswirft.

Die Maschine – das Prozedere – entwickelte Helmut Kaplan und Edda Strobl zusammen mit Vera Hagemann und Klaus Meßner von der zweiten liga für kunst und kultur.
Die am Sweatshop Teilnehmenden kamen aus den Feldern der Literatur, der Malerei, der Zeichnung, des Theaters und der Tattoo-Kunst.

Also die Versuchsanordnung:
Wir starten sozusagen blanko (ohne mitgebrachte Zeichnungen, Texte oder andere Materialien), wir wissen, alles Material wird vor Ort entstehen. Die Frage ist: werden wir am Ende der zehn Tage ein fertiges Druck-file für das Buch haben?

Zunächst zeichneten wir im Kollektiv um Material zu generieren. Wir nahmen die Form des Schleifen-Band-Zeichnens auf. Entlang der Wände sind Schnüre gespannt, um die Zeichnungen aufzuhängen.

Einzeichnen. Die Schleife wird alle 3 Minuten nach links um einen Platz weiterbewegt.

Die erste mit einem Schnitt zu einem Band zerlegte Schleife hängt

Nach der zweiten Schleife der Entschluss, die Schleife von vornherein in die Segmente zu zerlegen. Jede, jeder wird mit zwei Einzelblättern ausgestattet, es wird jeweils ein Blatt weitergereicht. Der 3-Minuten-Wechsel bewährt sich.

Insgesamt werden zwei Tage (und Abende) lang nach dieser Methode Bilder erzeugt. Aus dem allgemeinen Gesprächsfluss heraus entwickeln sich gelegentlich Themen, die so quasi als Motto bei den einzelnen Sessions ausgerufen werden. Die Themen rangieren von „Interieur“ bis „Rambo zeichnen, linkshändig“.

Der nächste Schritt: Die Beschäftigung mit dem entstandenen Material. Eine Spur in den Zeichnungen finden, kopieren, collagieren, um- und neu deuten, Sinnzusamenhänge herstellen. Es ist die Phase des Samplens.

Arbeit mit dem Material…

 …darin Erzählstränge finden…spätabends…

…es ist auch die Zeit der großen Hitzewellen. Die Produktion verlagert sich immer mehr in die Nacht.

Jeden Abend gab es warmes, selbstgekochtes Essen.
Gelegentlich war dies ein opulentes Mahl, zubereitet von Dimitra Charamanda als Chef, unter Mitwirkung von zumeist Kai Pfeiffer, Fred Guille, Max Höfler und Bernhard Raschl.

Danach wurde weitergearbeitet…
Als neues Element im Raum kommen fünf große Tafeln dazu (links, die Fensterfront entlang). Flächen, um Handlungsstränge aller Art nebeneinander zu sehen, Verbindungen zwischen den Sequenzen herzustellen oder manches als Sackgasse oder  als „Paralleluniversum“ zu erkennen.

Wir arbeiteten und konspirierten täglich bis zu 20 Stunden in den Räumlichkeiten des Forum Stadtpark, lebten mehr und mehr in unserer selbstgeschaffenen Welt.

Zeichnung: Igor Hofbauer

Freundschaftliche oder ablehnende Gefühle gegenüber den Protagonist*innen, die sich auf den Blättern tummelten, tauchten auf. Sobald sich ein neuer Erzählstrang herauskristallisierte, folgten ihm einige und trieben ihn weiter, während andere versuchten, eine Gegen-Geschichte zu erfinden, aber vielleicht erfolglos, und plötzlich wurde alles quasi zu einer Frage der Politik.

Zeichnung: Igor Hofbauer

Wir schufen einen psychotischen Raum. Das Event geriet außer Kontrolle.

Am Ende hängen insgesamt 911 Blätter in chronologischer Reihe des Entstehens, durchnummeriert, an der Wand. Und auf 5 Tafeln aus den Blättern herausgelöste narrative Sequenzen.

In einer anschliesseden Präsentation versuchten wir einem Publikum unsere Arbeitsweise zu erläutern,  dies scheiterte, da es nicht möglich war, eine distanzierte Haltung zu der von uns geschaffenen Welt einzunehmen.

Feierlaune kam erst auf, als wir wieder unter uns waren.

 

 

BOHREN IN WELT III

Herbst 2015
mit Simon Häusle, Michael Jordan, Helmut Kaplan und Edda Strobl
Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz (Atelier Strobl)

„Bohren in Welt III“ war eine mehrtägige Arbeitssession, um das Material, das bei „Bohren in Welt II“  entstanden ist – die 911 Zeichnungen – in einer Publikation zu verdichten.

Die Zeichnungen, die auf die Panels im vorangegangenen „Bohren II“ gepinnt worden waren, sollten zur Quelle für eine geplante 48-seitige Publikation mit einer plausiblen Narration werden. Wir scheiterten zunächst und ein halbes Jahr später reduzierte ich die Seitenanzahl auf 24, indem ich als Schnittmethode Jump Cuts, also sprunghafte Szenenwechsel verwendete – inspiriert vom Nouvelle Vague-Regisseur Jean Luc Godard. Aus diesem Rohschnitt erarbeiteten Helmut Kaplan und Edda Strobl den finalen Schnitt.
Im Sommer 2016 wurde das Ergebnis unter dem Titel Elephants veröffentlicht.

 

 

BOHREN IN WELT IV

still: experiment, prototype

Forum Stadtpark, 27.6. – 7. 7.2016
Mit diceindustries (DE), Michael Jordan (DE), Helmut Kaplan, Renate Oblak, Heidrun Primas, Johannes Schrettle, Edda Strobl (alle AT)

Ausgestattet mit den Erfahrungen aus „Bohren in Welt I – III“ versuchten wir eine weitere experimentelle Anordnung um, wiederum in einem intersubjektiven Prozess, das Verschüttete mit bildlichen und sprachlichen Mitteln zu Tage zu fördern.

In Kooperation mit den Forum Stadtpark.


digitale Einladung

Ein weiterer (fast erfolgreicher) Versuch in 10 Tagen ein Buch zu machen.

Am Anfang stand ein strenger Zeitplan und ausgefuchste Zeichenspiele um die Narration zu forcieren. Und wir waren eine übersichtliche Gruppe von 7 Personen.

Der Zeitplan, grob dargestellt:
Tag 1-5: diverse Zeichenprozesse
Tag 6-10: Rohschnitt, Feinschitt, Ausarbeitung von Fehlstellen.

Statt aus einer Masse an Zeichnungen (wie in „Bohren in Welt II“: 911 Blätter) ein Destillat zu kochen, (Elephants) versuchten wir diesmal von vornherein die Menge Zeichnungen sportlich zu halten. Und als wichtige Erkenntnis aus den vorigen „Bohren in Welt“-Ausgaben: das kollektive Zeichnen wechselte ab mit individuellem: in konkreten Aufgabenstellungen entwickelte jede*r Szenen , die wiederum in den kollektiven Prozess eingespeist wurden. Die Symbolwelt, handelnde Personen, die zeichnerische Umsetzung blieben so enger beieinander.

In einem nächsten Schritt versuchten wir über ein Netz von Bezügen die einzelnen Erzählstränge in Beziehung zueinander zu bringen.

Die hypertextähnliche Struktur des Bezugsnetzes in eine linerare Erzählung zu übersetzen gestaltete sich als äußertst schwierig, da die  Erarbeitung der Bezüge zu einer Art Familienaufstellung geraten und somit persönlich geworden war. Tränen, heiße Diskussionen und Lagerbildung folgten: wieder ein psychotischer Raum und keine druckbaren 24 Seiten.

diceindustries meinte am Ende dass das fertige Produkt die Ringmappe mit den gesammelten Arbeiten sei. Dabei blieb es dann auch.
In der Ausstellung Bohren und das was bleibt im Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz, 9. 9. – 7. 10. 2017, zeigten wir unter anderem eine Auswahl der Bezugsknoten.

2019 erschien Helmut Kaplans Publikation Biografio, die auf Arbeiten aus „Bohren in Welt IV“ basiert.

 

 

BOHREN IN WELT V

Auch wenn sich die „Bohren in Welt“-Versuchsuchsanordnungen als eine Geschichte voller unerwarteter Wendungen herausstellten, erweckten sie doch auch eine Reihe neuer Perspektiven zum Leben.
Und langsam begann die in „Bohren in Welt II“ visionierte „Maschine“ zu funktionieren. Aber erst, als wir unsere Strategie änderten…

Bohren in Welt V: better strategies

Werkstatt Helmut Kaplan, Leitergasse, Graz
Sommer 2017

Zunächst reduzierte sich die Zahl der Teilnehmenden auf drei: Michael Jordan, Helmut Kaplan, Edda Strobl. Wir waren, sind ein langjährig eingespieltes Team. Selbst wenn es Unterschiede zwischen „Bohren in Welt V–VII“ gibt, haben sie etwas Wichtiges gemeinsam: Wir handeln, arbeiten, als wären wir ein Improvisationstrio.
Plus, wir arbeiteten mit einem Materialpool: Kopien von einer Auswahl von Michael Jordans Zeichnungen in 3-facher Ausfertigung.

Das Spiel geht immer noch so: jede*r bekommt zwei DIN A6-Blätter, der Countdown läuft vier Minuten, danach gibt jeder sein Blatt weiter an den nächsten in der einen Richtung und bekommt ein neues Blatt aus der anderen Richtung. Collagieren, kleben, zeichnen, weitergeben, bis einer von uns sagt, dass dieses oder jenes Blatt fertig ist; bis alle sechs Blätter fertig sind. Dann finden wir eine mehr oder weniger plausible Reihenfolge und nummerieren die Blätter fortlaufend. Das letzte Blatt in der Folge dient als Cliffhanger für die nächste Runde.

Michael Jordan…

…und Helmut Kaplan, fotografiert von Edda Strobl

Helmut Kaplan brachte die Schwierigkeit, die kollektives Arbeiten mit sich bringt, auf den Punkt: „Es ist ein Spiel zwischen Inspiration und Frustration.“
Und so ist es. Jedes Blatt, das daher kommt, kann sofort eine Idee entstehen lassen oder irritieren, weil etwa eine eigene Zeichnung vollkommen missinterpretiert wurde.

Jedenfalls ging uns die Erarbeitung einer Publikation leicht von der Hand. Aus den Erfahrungen der vorherigen Anstrengungen, im Kollektiv ein Buch zu machen – Versuche, die alle irgendwie scheiterten – entschieden wir uns für eine unkuratierte Variante: Die Nummerierung der Blätter ist die Reihenfolge.
2018 erschien It Shall Be As It May

 

BOHREN IN WELT VI: FEEDBACK I

Werkstatt Kaplan in der Leitnergasse und Atelier Strobl im „Schaumbad – Freies Atelierhaus“, Graz, 24. 7. – 3. 8. 2019
Mit Michael Jordan, Helmut Kaplan und Edda Strobl

Anlass für die Versuchsanordnung war eine Einladung zum „REM-Festival INSTABIL – Musik mit Feedback“ im Bremen, wo wir vor Ort, während des Festivals, visuelles Material mit der Bohren in Welt-Methode generieren wollen.

In der Veranstaltung „Feedback I“ war der Materialpool von diversem Inhalt und Duktus,  die Aufgabenstellungen wechseln mit jeder Spielrunde.

Materialpool für eine der ersten Runden…

…und daraus entstandene Blätter

ein Spielrunde Radierungen, zur Auflockerung…hier ein Beispiel

Blätter aus einem anderen Materialpool

das allerletzte Blatt….

 

BOHREN IN WELT VII: FEEDBACK II

REM-Festival INSTABIL – Musik mit Feedback
4. – 6. 10. 2019, Schwankhalle Bremen

aus dem Vorwort des Katalogs:
„Das dritte Festival ‚REM – Rapid Ear Movement‘ der ‚projektgruppe neue Musik Bremen‘ (pgnm) präsentiert Musik, Film und Performance mit Schwingkreisen, Rückkopplungen und Eigenbluttransfusionen.
Stets gefürchtet, sind Feedbacks zugleich nach wie vor hochproduktive Inspirationsquelle und Klanggeneratoren, die noch immer voller Überraschungen stecken. INSTABIL in sich kreisend, sich selber fütternd und oft nur begrenzt vorhersehbar, machen sie Aufführungen zu unwiederholbaren Ereignissen. REM/pgnm präsentiert an drei Tagen eine Auswahl der großen internationalen Szene. Performative Vorträge reflektieren die musikalischen Verfahren und die aktuelle Bedeutung in sich kreisender Produktivität.“


Seite aus dem Katalog

Werkstatt: Tonto – durchgängig von Freitag bis Sonntag
mit Michael Jordan, Anja Korherr, Edda Strobl und Gästen via „Rückkopplungs-Box“ vor Ort, Simon Häussle, Helmut Kaplan und Johannes Stahl via Internet.

 

Arbeitssituation: Edda Strobl und Michael Jordan, fotografiert von Anja Korherr

Die DIN A6 Blätter….

…als DIN A3 Ausdrucke auf die Fensterscheiben des Foyers arrangiert

Aus dem Material der beiden Veranstaltungen „Feedback“ entstand die gleichnamige Publikation: Tonto #33: Feedback

 

BOHREN IN WELT VIII: DIE NERVÖSE ZEIT

Im digitalen Raum, September und Oktober 2020
Mit Michael Jordan, Helmut Kaplan und Edda Strobl

In den vorangegangenen sieben Ausgaben der Zeichnen-Versuchsanordungen war die physische Anwesenheit der Künstler*innen eine wesentliche Bedingung, um kollektives und intersubjektives Arbeiten zu erforschen.
„Bohren VIII“ war von von vornherein als eine „dislozierte“ Veranstaltung geplant. „Disloziert“ bedeutet, dass niemand von uns verreisen muss, damit wir gemeinsam arbeiten können. Arbeiten im digitalen Raum auszuloten, erprobten wir bereits 2019 in der Ausgabe „Bohren in Welt VII: Feedback II“, bei der drei Teilnehmer*innnen in Bremen vor Ort gemeinsam collagierten und zeichneten und drei Teilnehmer via Internet auf zugesandtes Material zeichnerisch reagierten.

2020 lud Emil Gruber ein, im Rahmen seines Anstellungsprojekts „Die Nervöse Zeit – Reflexionen zu österreichischen Karikaturen 1930–1938“ einige von ihm ausgewählte Karikaturen nach der Bohren-in-Welt-Methode zu bearbeiten.

„Die Erste Republik Österreich war ein Staat inständiger Verunsicherung. Demokratie, Menschenrechte und Meinungsvielfalt waren für Politiker unterschiedlichster Ideologien keine überzeugenden Perspektiven. Mit 1933 riss in Deutschland ein totalitäres System die Macht an sich, kurze Zeit später wurde auch in Österreich autokratisch geherrscht. Karikaturen begleiteten diese Entwicklung in den Untergang mit beißenden Kommentaren. Nach 1934 wurde in Österreich durch die staatliche Zensur jede Auseinandersetzung mit Dollfuß & Co verhindert, während zeichnerische Kritik am Nationalsozialismus zugelassen und sogar erwünscht war. Viele dieser Karikaturen bleiben zeitlos – als Mahnung an jene, die sich einen starken Mann wünschen, weil sie meinen, die Demokratie könne ihre Interessen nicht mehr wahren. Ausgewählte historische Karikaturen aus der Ausstellung werden in einem weiteren Schritt dem Comicskollektiv Tonto zur Verfügung gestellt, von ihnen auf heutige Bezüge analysiert und zeichnerisch aktualisiert. Diese Umwandlung des Gestern ins Heute wird von den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern dokumentiert. Die Ergebnisse werden in einem Film bei der Finissage präsentiert.“ (Emil Gruber)

Schnell war klar, dass die Schwere der Thematik – der sich manifestierende Nationalsozialismus – eine eingehende Beschäftigung erforderte.
Die Bearbeitungen entwickelten sich in einem langsamen und diskursiven Prozess: Themen wie die Zwischenkriegszeit, die Parallen zum Jetzt, Hinterfragen der Zeichen usw. werden telefonisch verhandelt, die Weiterentwicklung von Motiven besprochen. Die Telefonkonferenzen wurden aufgezeichnet.

Karikatur aus: Die Leuchtrakete, August 1933

Detail, welches in der Folge transformiert wird…

Vorschlag von Helmut Kaplan

Vorschlag von Michael Jordan (Pu der Bär gilt im offiziellen China als „Figura non grata“ Anm. E.S. )

weiterer Vorschlag von Helmut Kaplan 

Ausarbeitung von Michael Jordan

Präsentation der Arbeiten als Diashow bei der Finissage der Ausstellung
Die nervöse Zeit  – 
Reflexionen zu österreichischen Karikaturen 1930–1938
3.10.–16.10.2020, prenninger gespräche, KulturPension Prenning’s Garten, Deutschfeistritz
Kuratiert von Emil Gruber und Wenzel Mracek
Unterstützt von steirischer herbst 2020

 

Anfang September 2021 malen Michael Jordan, Anja Koherr, Helmut Kaplan und Edda Strobl einige Motive aus den letzten „Bohren in Welt“ großformatig auf Stoff, darunter auch das Motiv aus „Die Nervöse Zeit“.

 

(Edda Strobl, 2019/21)

 

… to be continued …